Seit einiger Zeit setze ich mich mit Musik-Produktionen unter Linux bzw. open-source auseinander. Gerade in den letzten Jahren hat es da einige interessante Entwicklungen gegeben. In Sachen DAW hat sich Ardour zum Platzhirsch entwickelt. Wer ein Wavelab-Pendant braucht, greift zu Audacity. Freie Plugins gibt es auch, wobei besonders die Calf-Plugins sowohl von der Qualität, als auch von der Optik her recht ansprechend zu sein scheinen. Unter der Haube ist mit Jack eine Low-Latency Schnittstelle für die Soundkarte vorhanden. Und wenn das Ganze dann noch wie bei Ubuntu-Studio in einer Distribution aufeinander abgestimmt dem Nutzer zur Verfügung steht, ist doch eigentlich alles gut.

(© http://allsoluces.e-monsite.com/album/mascote-tux/)

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Leider tu ich mich dennoch mit dem musikalischen Wechsel zu Linux schwer. Obwohl ich mich nicht gerade als Technik-Muffel beschreiben würde, will ich für’s Musizieren ein System, bei dem ich möglichst wenig nachdenken muss und das meinen Workflow unterstützt. Hier hat Linux bzw. das von mir genutzte Ubuntu-Studio noch Schwächen. Hier nun eine kleine Zusammenstellung meiner Verzweiflung:

Ardour:

Zunächst zur Klarstellung: Was die Jungs hier zusammenprogrammiert haben, ist schon beeindruckend. Ardour kann nicht nur viel, sondern sieht auch noch sehr gut aus. Für viele bleiben hier wohl keine Fragen offen. Mir fehlt bei Ardour allerdings ein Element, das für mich essentiell ist. Es gibt keine Latenz-Kompensation auf den Bussen. Gerade dieses Feature nutze ich jedoch bei meinen Mixen recht häufig. Ich warte sehnsüchtig darauf, dass sich in dieser Hinsicht etwas tut, dann würde ich den Schritt wagen und mein Logic Pro so weit wie möglich durch Ardour ersetzen. Alternativen oder Work-arounds habe ich bisher keine gefunden. Aber selbst wenn, wäre da für mich wieder der Punkt des möglichst überlegungsfreien Workflows.

Davon mal ganz abgesehen soll Ardour angeblich mit Stabilitätsproblemen zu kämpfen haben und sich im laufenden Betrieb auch immer mal aufhängen. Dazu kann ich noch nichts sagen, aber da hätte ich im Aufnahmeprozess schon Bedenken, wenn in meiner Top-Performance sich auf einmal die Technik ausklingt.

Audacity:

Nutze ich kaum und kann deshalb zu den Funktionen auch keine Aussagen treffen. Das Problem, das ich hier habe, hat evtl. auch gar nichts mit Audacity selbst, sondern mehr mit Ubuntu-Studio zu tun. Ich habe sowohl auf meinem Macbook, als auch auf meinem Samsung Netbook Ubuntu-Studio installiert. Es sind also auf beiden Rechnern quasi identische Systeme. Wenn ich auf einem Rechner am System arbeite, vollziehe ich diese Schritte auf dem anderen System nach. Aber, warum auch immer, lässt sich Audacity auf dem Macbook problemlos öffnen, während es auf dem Netbook beim Start abstürzt. Dieses unterschiedliche Verhalten ist für mich nicht so richtig nachvollziehbar. Falls ich den Fehler mal finden sollte, gibt das hier eine Meldung. Aber damit ist auch wieder der Punkt des stressfreien Workflows nicht gegeben. Ich will ja die Programme nutzen und nicht Linux-Problemlöse-Experte werden.

Jack:

Dank dieses Blog-Beitrages bin ich erstmal beruhigt, dass ich nicht der Einzige bin, der das Pulseaudio – Jack Ding nicht kapiert. Aber auch hier hindert mich die Technik daran, kreativ zu arbeiten. Letztens hab ich eine ganze Nacht damit zugebracht, Youtube über Jack an meine Focusrite Firewire-Soundkarte zu schicken, damit ich den Sound über meine guten Boxen genießen kann … bisher erfolglos. Dafür fällt hin und wieder mein zweiter Monitor aus, wenn ich an der Firewire-Kommunikation rumschraube. Es gibt zwar einige Anleitungen in verschiedenen Foren, aber das will bei mir noch nicht klappen. Kann sein, dass es an mir liegt, aber widerum: ich will Musiker sein, kein Systemadministrator. Beim besagtem Versuch, das Ganze zum Laufen zu bringen stürzte auch regelmäßig das ganze System ab. Sowas ist für professionelles Arbeiten eher hinderlich. Keine Ahnung, ob bzw. was ich hier falsch mache, aber man braucht halt erstmal Nerven, um sich durch alle Foren und IRC Kanäle zu suchen, um evtl. irgendwann einmal ne Lösung zu finden. Und noch schlimmer, die Forenbeiträge und Youtube-Tutorials haben an der Stelle, wo mein System immer abschmiert, mal so gar kein Problem. Wenn die Community nicht helfen kann, ist man bei Linux allerdings aufgeschmissen. Offizieller Linux-Support für Audio-Probleme, DAS wär mal was!

Nebenbei bemerkt: Die Firewire-Soundkarte umgehen und mit Pulseaudio aus dem Kopfhörer-Anschluss des Rechners raus und in die Boxen, funktioniert sogar … bei dem Netbook. Das Macbook 2.1 hat hier auch Probleme und stellt beim Einstecken des Kopfhörers (bzw. des Klinkenkabels) die Lautsprecher nicht ab. Dazu wird der Sound allgemein verzerrt wiedergegeben. Beim Netbook gibt’s da bisher nix zu meckern, ist also aller Wahrscheinlichkeit nach ein Abstimmungsproblem der Mac-Hardware und Linux.

Ubuntu Studio:

Die oben genannten Beispiele zeigen mir, dass im Audio Bereich noch recht viel Flickschusterei herrscht. Gerade von einer auf Audio spezialisierten Distribution habe ich da problemloseres Arbeiten erwartet. Nicht, dass Ubuntu Studio hier zwingend etwas falsch gemacht hätte. Vielleicht ist der Audio Bereich an sich bei Linux einfach noch nicht so weit. Beim Durchforsten der Foren und Ausprobieren der dort genannten Anleitungen merkte man zumindest, dass die relevanten Programme und Treiber bereits installiert sind. Trotzdem bleibt jede Menge Konfigurationsarbeit beim Anwender hängen. Mein Focusrite Saffire scheint ja an sich gut unterstützt zu sein. Da hätte ich mir etwas mehr Plug and Play gewünscht.

Hinzu kommen besagte Probleme, dass einige Programme nicht so starten wie gewollt. Und auch wenn .conf Dateien via Terminal bearbeiten total Hacker-mäßig rüber kommt, hat das auch wieder so gar nix mit Musik machen zu tun.

Fazit:

In meinem normalen Alltag hat sich Linux mittlerweile durchgesetzt. Hier fühle ich mich den altehrwürdigen Systemen Apple OS X bzw. Windows haushoch überlegen. Es steht mir im normalen Alltag nicht im Weg, ist stabil und sicher und bei Bedarf kann ich tief ins System und finde Hilfe in der Community. Windows habe ich seit Jahren nicht mehr angefasst. Unix rules! Bei Apple stört mich die Firmenpolitik der Versionspflege. Dass man sich alle paar Wochen bitteschön einen neuen Rechner zulegen möchte, da nur da das aktuelle OS läuft und alle Anwendungen nur noch für dieses Updates liefern, ist eine Frechheit. Die Datensammelei ist dann noch eine ganz andere Sache.

Für viele Anwendungen ist Linux auch sehr gut. Spieleentwicklung geht dank der Steam-Plattform sehr in Richtung open-source und Linux. Auch den Grafikbereich finde ich als Laie dank Blender usw. recht gut vertreten. Die wine Schnittstelle für liebgewonnene Windows Programme finde ich genial.

Nur im Audio-Bereich sieht das alles ganz anders aus. Gerade die Audio-Produktion brauch ja eine Zusammenarbeit zwischen dem System und sehr einsatzspezifischer Hardware. Da gibt es meiner Ansicht nach einfach noch nicht genug man-power und Fachwissen, um hier auf der System-Ebene, sprich Treiber, Realtime-Kernel usw., genug Stabilität und Benutzerfreundlichkeit zu gewährleisten. Wie gesagt, vieles geht bzw. sollte gehen, aber die Lernkurve ist für den Normalnutzer bei Problemen einfach zu hoch.

Aber in der Perspektive sind das alles lösbare Aufgaben und Lösungen sind teilweise bereits in Arbeit. Ich werde die Entwicklung weiter mit Spannung verfolgen und irgendwann werde ich mit Sicherheit meine erste open-source Produktion fahren. Ardour und Audacity sind ja zudem systemübergreifend auch für OS X zu haben. Wenn Ardour seine Latenzen in den Griff bekommen würde, wäre das ein erster Schritt für mich.

In diesem Sinne

eighty

Update I:

Nach meinem Blog-Post hatte ich mal die Motivation Ubuntu-Studio auf meinen Mac Pro zu knallen und siehe da, hier funktioniert die JAck-PulseAudio Verbindung und ich kann den Browser-Sound über die Saffire Karte auf die Boxen bringen. Somit muss ich meine Kritik an Ubuntu Studio etwas entschärfen. Es scheint wohl eher ein Hardware-Problem beim Macbook zu sein. Ich vermute irgendwas mit dem Firewire-Anschluss, da der ja auch regelmäßig den zweiten Bildschirm ausschießt. Bisher läuft Ubuntu Studio auf dem Mac Pro stabil und echt flott. Da das Grundsätzliche also prinzipiell erstmal läuft, kann ich mich nun tatsächlich mal mit den Möglichkeiten der Audio-Produktion etwas näher befassen.

Update II:

Zu dem Problem mit der PulseAudio-Jack Verbindung scheine ich die Lösung gefunden zu haben bzw. die Ursache des Problems. Ich habe mir auf dem problematischen System mal den Cinnamon-Desktop als Alternative installiert. Diese Prozedur scheint jedoch die Verbindung zu töten. Auf meinem Test-System auf Mac Pro lief vorher alles Problemlos über die Jack-PulsAudio-Bridge, dann Cinnamon installiert, danach das gleiche Fehlerbild wie ich beim Macbook hatte. Konnte mich dann dunkel erinnern, dass ich da auch mal mit Cinnamon rumgespielt hatte. Das erklärt zwar immernoch nicht den Ausfall des zweiten Monitors beim Arbeiten mit Firewire, aber immerhin ist es eine Erklärung.